
Früher führte die Straße direkt auf die Große Synagoge in der ul.Tłomackie zu.
Heute enden ihre Schienen blind. Die Synagoge gibt es nicht mehr. TAL
Am letzten Montag gab es die Gelegenheit, sich von heute unbekannter Musik überraschen zu lassen. Die polnische Botschaft hatte zu einem Konzert mit der Musik David Eisenstadts eingeladen.

Eisenstadt war der Kantor an der Großen Synagoge in der ul. Tłomackie in Warschau. Seit 1921 war er damit eine das Warschauer Musikleben bestimmenden Persönlichkeit.

Bild in der o.g. Veranstaltung gesehen. TAL
Neben den liturgischen Aufgaben in der Gemeinde leitete er den berühmten Chor der Synagoge, komponierte und leitete auch die Warschauer Kantorenschule. Außer liturgischer Musik verfasste er auch weltliche Werke und begann mit der Arbeit an einem Lexikon zu jüdischer Musik. Seine Konzerte waren ein Ereignis der Warschauer Musikszene.
Aber von dieser Musik ist heute in Polen nichts mehr vorhanden. Eisenstadt blieb nach der deutschen Besetzung in Warschau, arbeitete weiter im Ghetto und wurde in Treblinka ermordet.
Erst engagierte Nachforschungen auf der ganzen Welt ließen zunehmend mehr von seinem Werk wieder auftauchen. So hatte er verschiedene Kompositionen an Kantoren in Südafrika geschickt, die jetzt bekannt geworden sind.
Ein Kreis um den Organisten und Musikwissenschaftler Jakub Stefek beschäftigt sich seit einiger Zeit damit, weitere Werke von David Eisenstadt zusammenzutragen und zur Aufführung zu bringen. So entstanden mittlerweile auch Aufnahmen von seiner Musik in Berlin und Szczecin.

Jakub Stefek übernahm am Montag auch die Einführung zu dem genannten Konzert. Anschließend begleitete er den Sänger Wojciech Parchem und das Match Match Ensemble unter seiner Dirigentin Lilianna Krych auf dem Harmonium.

Als synagogale Musik waren u.a. Hajom haras olom, L choh dodi, Shom oh vatismah tsiyon und Sh`chuloch achuloh zu hören, außerdem die Kantate Iz awek cum krig der melech nach einem Gedicht von Maria Konopnicka. Auch in der freundlich-neutralen Umgebung der polnischen Botschaft vermittelte die bemerkenswerte Aufführung eine Ahnung, wie Eisenstadts Musik mit seinem großen Chor in der Warschauer Synagoge geklungen haben muss.

Die Große Synagoge wurde am 16. Mai 1943 von der SS gesprengt, nachdem der Aufstand im Ghetto niedergeschlagen worden war.

Bild in der o.g. Veranstaltung gesehen. TAL