Chanukka in Strzyżów

Historische Postkarte o.A. 1909.

Seit etlichen Jahren ist es schöner Brauch, dass die Website JewishGen am Jahresende ein Chanukah Companion herausbringt. Dort findet der interessierte Leser erbauliche Geschichten meist aus dem Umkreis des jüdischen Schtetls im östlichen Europa. Oft aber auch in zeitlicher Nähe zu seinem Untergang im Holokaust.

Marktplatz von Strzyżów , 1914-1931. Ohne weitere Angaben- National Library of Poland.

In diesem Jahr kommt dort ein Erzähler zu Worte, . . . . . .
der die Zeit von Chanukka in einer kleinen galizischen Stadt wieder aufleben lässt. Strzyżów liegt etwa zwischen Tarnów und Rzeszów und hatte 1939 etwas über dreitausend Einwohner. Davon waren nicht ganz die Hälfte Juden. Dort wurde wie in jedem Jahr der Abend erwartet, an dem die Zeremonie des Lichteranzündens stattfand, an dem ein Hoffnungsschimmer und die Erinnerung an ein fernes Land aufkam. An diesem Abend fand in der Erinnerung wieder das Wunder statt, dass nach der Vertreibung der zweite Tempel nur mit einem kleinen Krüglein geweihten Öls über acht Tage erleuchtet und damit eingeweiht werden konnte.

Das Innere der Synagoge von Strzyżów.. Zeichnung o.A.
Gesehen in der Stadtbibliothek von Strzyżów. TAL

Dieser Tag wurde auch von den Kindern in Strzyżów sehnlich erwartet. Es gab schulfrei, und mit etwas Glück fiel auch an diesem Tag der erste Schnee als Beginn eines harten langen Winters. In der Synagoge und im Lehrhaus sorgten die Öfen für eine angenehme Wärme, und die regelmäßigen Besucher saßen zusammen und erzählten sich die alten Geschichten.


Der erste Schnee war jedes Mal Anlass für die ersten Schneebälle, die seit Menschengedenken in der Gemeinde auch dazu dienten, den Schammes beim Anzünden der Lichter am Chanukka-Leuchter zu attackieren. Üblicherweise hatte der Schammes den silbernen Leuchter in der Synagoge auf Hochglanz gebracht und mit Kerzen bestückt. Nach dem Gottesdienst und dem Kaddisch stand er bereit, um die Kerzen anzuzünden. In diesem Augenblick fingen die Kinder an zu schreien und zu lärmen, und die Schneeballattacke begann.
In der Stadt fand die Zeremonie des Lichteranzündens aber auch an anderen Orten statt. So bereitete sich Rabbi Nechemiah sorgfältig auf dieses Ereignis vor, indem er sich den seidenen Kaftan mit dem seidenen Gürtel anzog und den Pelzhut für die Feiertage aufsetzte. In seinem Haus versammelte sich ein Minjan, um den Gebeten und Segenssprüchen des Rabbis zu lauschen und die vertrauten Lieder zu singen. Dabei gingen ihre Gedanken weit zurück bis in die Zeit, in der dieses Fest entstanden war.

Dann spielten die Kinder Dreidel und die Erwachsenen Karten, was an diesem Tag erlaubt war. Auch in dem folgenden langen Winter ging die Gedanken gern an dieses Fest der Lichter zurück. . . . . .

Die Ansiedlung von Strzyżóws Juden lässt sich anhand von Gerichtsakten bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Nach der völligen Zerstörung der Stadt Mitte des 17. Jahrhunderts durch György Rákóczi verfügte der polnische König zahlreiche Privilegien, um den Aufbau der Stadt wieder in Gang zu bringen. Das führte auch zur Ansiedlung von wohlhabenden jüdischen Familien mit weitreichenden Geschäftskontakten. Ende des 17. Jahrhundert entstand hier die erste jüdische Gemeinde mit dem Bau einer Synagoge und eines Cheders.
Mitte des 18. Jahrhunderts bildete die jüdische Gemeinde die Hälfte der Stadtbevölkerung und bestimmte den örtlichen Handel und das Handwerk. Über das Jahr fanden dort allein vier überörtliche Handelsmessen statt. Der Landerwerb und die Übernahme von offiziellen Ämtern waren den Juden allerdings untersagt. In dieser Zeit wurden eine jüdisch-deutsche Schule gebaut und eine steinerne Synagoge errichtet. Das religiöse Leben der Gemeinde bestimmte die chassidische Rabbinerdynastie der Shapiros.

Der Stadtrat von Strzyżów im Jahr 1898. Unter der habsburgischen Herrschaft konnten Juden dann auch offizielle Ämter übernehmen. – Gesehen in der Stadtbibliothek von Strzyżów. TAL

Ende des 19. Jahrhunderts verfügte die Gemeinde über eine Synagoge, ein chassidisches Lehrhaus, eine Mikwe, ein Hospital für Arme und einen Friedhof. Außerdem hatte sie zwei Rabbiner angestellt. In der Stadt arbeiteten allein 13 jüdische Goldschmiede, die zusammen mit Handwerkern der umliegenden Städte Schmuck herstellten, der als “Głogów Gold” oder “Rzeszów Gold” in ganz Europa gehandelt wurde.


Anfang des 20. Jahrhunderts gründeten Juden und Katholiken gemeinsam eine weiterführende Schule, die von Schülern beider Religionen besucht wurde.
Am Ende des ersten Weltkriegs kam es wie in anderen galizischen Städten zu wiederholten Pogromen, die aber durch kirchliche Würdenträger und städtische Persönlichkeiten beendet werden konnten. Antisemitisch bestimmte Konflikte an der Oberschule entstanden immer wieder im Zusammenhang mit dem Numerus clausus für Juden, der für sie den Zugang zur Universität stark einschränkte.

Rynek von Strzyżów. 30ger Jahre. Gesehen in der Stadtbibliothek von Strzyżów. TAL

Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 15. September 1939 wurden Juden willkürlich hingerichtet und zu schwerer Zwangsarbeit verpflichtet.

Synagoge in Strzyżów. Im zweiten Weltkrieg als Autowerkstatt missbraucht.
Gesehen in der Stadtbibliothek von Strzyżów. TAL

Unter anderem mussten sie einen Eisenbahnbunker in Stępno errichten. Im Mai 1942 provozierten SS-Leute aus Rzeszów ein Pogrom in der Stadt. Im Juni 1942 wurden im Rahmen der Aktion Reinhardt alle Juden unter Androhung des Erschießens in das Ghetto von Rzeszów gezwungen. Von dort führte ihr Weg dann in das Vernichtungslager Bełżec.

Bis in die 60ger Jahre wurde die Synagoge als Werkstatt zweckentfremdet genutzt. Bei der folgenden Renovierung wurde eine Zwischendecke in den Gottesdienstraum eingezogen. Seitdem dient die ehemalige Synagoge als städtische Bibliothek.
Unter der Bima befindet sich eine kleine Ausstellung zum jüdischen Leben in Strzyżów.

Die Deckenbemalung der Bima. Heute in der Stadtbiblothek von Strzyżów. TAL

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