Im Interview der Woche unterhielt sich Christiane Florin vom Deutschlandfunk am 27.12.2020 mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster.
Das Gespräch berührte ganz unterschiedliche Themen. So haben Juden während Chanukka in der Pandemiezeit ähnliche Einschränkungen bei der Religionsausübung erlebt wie Christen in der Advents- und Weihnachtszeit. Schmerzhaft aber unverzichtbar. Im Jüdischen Wertekanon steht die Erhaltung des Lebens ganz oben, nur das Verbot des Tötens und des Götzendienstes sind ihm übergeordnet.
In den Protesten gegen die pandemiebedingten Einschränkungen sieht Schuster die Äußerung einer kleinen, aber lautstarken Minderheit, ohne dass sie die Meinungsführerschaft beanspruchen kann. Sie setze sich teilweise aus Geschichtsvergessenen oder Uninformierten zusammen. Aber auch aus Bösartigen, die Juden wie beim Ausbruch der Pest im Mittelalter eine Mitschuld zuweisen wollen. Die AfD beschreibt Schuster als Partei am rechtsradikalen Rand der Gesellschaft, die durch ihre Äußerungen für die Radikalisierung der Sprache verantwortlich sei.
Florin weist auf das nächste Jahr hin, in dem viele Veranstaltungen an 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland erinnern werden. Schuster hofft, dass dieses Jahr dann auch die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in Deutschland vielen bewusst werden lässt. Der Beitrag der Juden zur gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklung soll dann deutlich werden.
Christiane Florin lässt Josef Schuster auch von seinem persönlichen Schicksal berichten. Nachdem seine Eltern und Großeltern 1938 nach Palästina emigrieren mussten, ist er dort 1954 geboren worden. Kurz darauf hat sich die Familie zur Rückkehr nach Deutschland entschlossen, sodass er dann in Würzburg aufgewachsen ist, als bewusster Jude in einer jüdischen Gemeinde.
Nach den Begriffen „deutsch-jüdisch“ und „christlich-jüdisch“ befragt mahnt Schuster einen überlegten Umgang mit ihnen an. Bei der Verwendung des Begriffs „christlich-jüdisch“ geriete man schnell in Gefahr, beispielsweise den Islam auszuschließen.
Zum Schluss schildert Schuster, wie ihn nach dem Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle die unerwartete Solidarität aus der Breite der Bevölkerung erstaunt und erfreut hat. Auch im Bewusstsein, dass seit vielen Jahren unverändert rund 20 Prozent der deutschen Bevölkerung antijüdische Vorurteile besitzen.
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