Ein Archtekt baut rückwärts gewandt und versteckt dabei ein antsemitisches Zitat. So geschehen am Walter-Benjamin-Platz in Berlin-Charlotenburg.
Verena Hartbaum beschreibt dieses Ärgernis präzise in ARCH+ 235 . Die Zeitschrift analysiert in dieser Ausgabe zu „Rechten Räumen“ einen beunruhigenden Trend in der Architektur. Sie weist auf stilistische Anleihen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert hin, die das gesellschaftliche Aufkommen der „Neuen Rechten“ vorwegnehmen. Im Gegensatz zu dieser umfangreich dokumentierten Recherche läßt sich Peter von Beckers Veröffentlichung im Tagesspiegel vom 4. Juni 2019 nur als intellektuelle Spielerei einordnen. Da fehlt die klare Botschaft.
Architektur ist durch alle Zeiten ein Spiegelbild von Zeitgeist und eine gesellschaftliche und politische Aussage gewesen. Wenn trotz anhaltender Anwohnerproteste der Architekt Kollhoff den 2000 eröffneten Walter-Benjamin-Platz so baut und dann weitgehend unbemerkt dieses eindeutig antisemitisch konnotierte Zitat von Ezra Pound auf der weiten Fläche des Platzes versteckt, ist das eine nachträgliche, bewußte Kränkung für Walter Benjamin und alle, die ihn schätzen. Die Berliner Stadtregierung hat damals die Entscheidung für das heutige Aussehen des Walter-Benjamin-Platzes an sich gezogen. Hat sie wirklich verstanden, wofür sie sich entschieden hat? Für einen Platz, der auch nach zwanzig Jahren keine Aufenthaltsqualität gewonnen hat, auch im Sommer eher kühl und abweisend wirkt. Die etwas verkrampften Bemühungen, die Stimmung dort mit Farbe aufzuheitern, wirken nicht sehr erfolgreich.
Es ist, als krankt der Platz an seiner Böses säenden Inschrift
„Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein. Die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert.“
– nicht genannt : Ezra Pound.
Das kann doch nur heißen, dass jüdisches Finanzgebaren mit sorgfältigem und schönen Bauen unvereinbar ist . –
In einer Zeit, in der wir uns täglich mit menschenfeindlichen Ereignissen auseinandersetzen, seien sie gegen Juden, Muslime, Christen oder andere Gruppen gerichtet, wird man nachdenklich, wenn man diese vergiftende Botschaft in Stein gehauen liest und bedenkt.
TOL-
Der Mitherausgeber von ARCH+ Anh-Linh Ngo hat übrigens am 31.05.2019 eine lesenswerte Erwiderung auf zwei Veröffentlichungen von Niklas Maak in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (26.5.) und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (29.5.) geschrieben.
redaktion gleis69
Nachtrag
Der Tagesspiegel berichtete Anfang Mai 2021, dass bereits am 27.01. 2020 die Bodentafel mit dem nur als antisemitisch zu verstehende Ezra Pound-Zitat auf dem Walter Benjamin-Platz entfernt worden ist.
Im November 2019 hatten wir mit dem Antisemitismusbeauftragten des Senats ein Gespräch bei einer Gedenk-zeremonie am Güterbahnhof Moabit aus Anlaß der Reichspogromnacht 1938. Dabei baten wir Herrn Korgel, sich dafür einzusetzen, dass das antisemitische Ezra Pound-Zitat auf dem Walter Benjamin-Platz entfernt würde. Er wandte sich daraufhin an des Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und erhielt vom Baustadtrat Schruoffeneger die Zusicherung, dass man sich um die Angelegenheit kümmern wolle . . .
2 Gedanken zu „Mehr als retrospektiv gewandtes Bauen und Denken? – Kollhoff am Walter-Benjamin-Platz“
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