Das Palästina-Mandat

Palais des Nations. Sitz des Völkerbundes 1922. Nawrin Nujhat – Eigenes Werk. Unter CC BY-SA 4.0

Am 24. Juli 1922 übertrug der Völkerbund Großbritannien das Mandat für Palästina. Dem vorausgegangen waren Englands Versprechen gegenüber den Arabern, ein arabisches Königreich aus der möglichen Konkursmasse des Osmanischen Reiches gründen zu können. Kurz darauf folgte seine Zusage an die jüdische Diaspora, sich für eine jüdische Heimstatt in Palästina einzusetzen. Diese sich widersprechenden Zusagen waren in erster Linie an Englands imperialer Politik und an seinen strategischen Interessen, den Seeweg nach Indien zu schützen, ausgerichtet. Dabei hatten 1916 Sykes und Picot als Vertreter Englands und Frankreich in Geheimverhandlungen bereits klare Absprachen über ihre Einflusssphären im nahen Osten getroffen. 1920 wurde diese Planung dann in der Konferenz von San Remo bestätigt. Das Kalenderblatt berichtet jetzt davon im Deutschlandfunk.

Wer an dem Thema weiter interessiert ist, kann sich dazu in dem Buch „Palästina und die Palästinenser“ von Muriel Asseburg informieren. Das Buch ist 2021 im C.H.Beck-Verlag erschienen.
Asseburgs Wunsch ist es, der palästinensischen Sicht auf den Nahostkonflikt mehr Aufmerksamkeit zu widmen. So schreibt sie im Vorwort: „Was hingegen auffällt, ist, wie sehr die Wahrnehmung der Palästinenser durch Klischees – sei es als Terroristen, Ewiggestrige oder reine Opfer – geprägt ist, wie stark israelische Deutungen dabei eine Rolle spielen und wie wenig Fakten über die Geschichte Palästinas bekannt sind. Auch in der aktuellen Berichterstattung werden palästinensische Perspektiven kaum berücksichtigt, und falls doch, dann werden entsprechende Positionen meist aufgrund der deutschen historischen Erfahrung statt der Lebensrealität vor Ort bewertet. Palästinensische Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft sind, mit wenigen Ausnahmen, bei uns kaum bekannt.“

Asseburg schlägt vom Ende der britischen Mandatszeit, der israelischen Staatsgründung und der Nakba bis zum Jahr 2021 einen großen Bogen. Sie verfolgt die Entwicklung in Palästina, die verschiedenen Kriege und das Entstehen des palästinensischen Widerstandes und von Fatah und Hamas. Sie schildert den gescheiterten Versuch, eine demokratisch legitimierte Autonomiebehörde im besetzten Westjordanland aufzubauen, und gleichzeitig die differenzierten zivilgesellschaftlichen Gruppen dort. Nachdem der militärische Kampf gegen die überlegene israelische Armee gescheitert ist, die Verhandlungen in den unterschiedlichsten Formaten zu keinerlei Fortschritten geführt haben und schließlich von der Trump-Administration und der Regierung Netanyahu in eine Sackgasse geführt wurden, hat sich die palästinensische Zivilgesellschaft umorientiert.

Im Andenken an seinen zivilen Ungehorsam gegenüber der Mandatsregierung 1936 und an die Boykottbewegung des südafrikanischen Nationalkongress hat sich der zivile Widerstand zu einer ähnlichen Strategie entschlossen. Dazu hat er drei Ziele formuliert: – Ende der Besatzung von Westjordanland, Ost-Jerusalem und Gazastreifen. – Gleichstellung der palästinensischen Bürger Israels und – Anerkennung des Rückkehrrechts der Flüchtlinge. Asseburg beschreibt die als BDS ( Boykott-Divestment-Sanctions) bekanntgewordene Bewegung und die Reaktionen, die sie hervorgerufen hat.

Wenn man Asseburg bei der Schilderung der möglichen politischen Modelle im ehemaligen Mandatsgebiet folgt, muss man die Aussicht auf das Zwei-Staaten-Model als gescheitert betrachten. In der palästinensischen Gesellschaft scheint man den Kampf gegen die israelische Besatzung wohl in Frage zu stellen, sich mit der praktischen Ein-Staaten-Realität abzufinden und stattdessen für gleiche Bürgerrechte kämpfen zu wollen.
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