Erinnerung an Joseph Wulf.

Prof. Dr. Götz Aly vor dem Bild von Joseph Wulf. TAL

Gestern Abend fand zum 50. Todestag des jüdischen Historikers Joseph Wulf eine Veranstaltung in der Topographie des Terrors statt. Dazu eingeladen war der Historiker Götz Aly, bekannt durch umfangreiche Veröffentlichungen zur NS-Zeit, zum Holokaust und auch zu anderen historischen Themen. Frau Dr. Riedle stellte ihn und sein Werk vor.


Götz Aly hatte sich offensichtlich umfassend mit dem Nachlass von Joseph Wulf und seinen vielfältigen Arbeitsfeldern beschäftigt.
1914 war Wulf, zwei Jahre alt, mit seiner Familie von Chemnitz nach Krakòw gezogen. Dort absolvierte er nach dem Schulabschluss eine Rabbinerausbildung. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht wurde die Familie in das Krakower Ghetto gezwungen. Dort schloss sich Wulf dem Untergrund an. 1943 verhaftet, wurde er nach Auschwitz gebracht. Dort gelang es ihm, zu überleben und schließlich von einem Todesmarsch aus zu fliehen. Nach Kriegsende arbeitete er in Polen für die Zentrale Jüdische Historische Kommission und gründete 1947 nach seiner Ausreise in Paris das Zentrum für die Geschichte der polnischen Juden.
1952 siedelte er nach Deutschland über. Hier konnte er seinen Lebensunterhalt durch eine Rente als NS-Verfolgter und durch Einkünfte aus Immobilienbesitz bestreiten. In Berlin stellte er umfangreiche Nachforschungen zur NS-Zeit und zum Stalinismus an und ging dabei den Lebensläufen unterschiedlichster Menschen nach.
Aly bescheinigte ihm eine „Archivitis“. Wulf bohrte offenbar bei seinen breit angelegten Recherchen oft zu tief. In der Folge erlebte er Verleumdungen, Verrat und Ablehnung. Auch mit seinen intensiven Bemühungen ab 1965, im heutigen Haus der Wannseekonferenz ein Forschungs- und Dokumentationszentrum zu gründen, blieb er erfolglos. In dieser Zeit gab es keine Bereitschaft in der bundesdeutschen Gesellschaft und der Wissenschaft, sich mit dem Geschehen in Auschwitz und seinen Folgen zu befassen. Die damalige Forschung beschäftigte sich vorrangig mit abstrakten Theorien zu Faschismus und Gewalt, und daneben mit der Unterdrückung in der Dritten Weilt. Aly findet die Ursache dafür im Verhalten der deutschen Familien, die durch ihr Schweigen eine Bearbeitung der NS-Vergangenheit nicht zugelassen hatten.
Auch Wulfs zahlreiche Veröffentlichungen zu dem Thema konnten daran nichts ändern. Trotz vieler Ehrungen erhielt er keine Möglichkeit, im akademischen Raum zu arbeiten. Seine noch nicht akzeptierten Forschungen zu jüdischem Widerstand und jüdischer Kultur in den Ghettos beließen ihn in der Außenseiterrolle eines Privatgelehrten. Diese anhaltenden Enttäuschungen können neben dem Tod seiner Frau dazu beigetragen haben, dass er 1974 durch Suizid aus dem Leben schied und nicht in Deutschland begraben sein wollte.
Die wissenschaftliche Anerkennung erfolgte erst deutlich später, die tatsächliche Gründung des Hauses der Wannseekonferenz erst 1992.

Louisa Beck und Svenja Peters. TAL

Einen besonderen Akzent erhielt die Veranstaltung durch zwei Schauspielschülerinnen, Louisa Beck und Svenja Peters, die unterschiedliche Texte von Joseph Wulf vortrugen. So wurde seine Arbeitsweise und die Breite seiner Themen deutlich. Ein Abend, der in Erinnerung bleibt.
red-