Heute beginnt Sukkot, das Laubhüttenfest. Zu Sukkot gehört die Sukka. –
Manchmal kann man noch Überraschungen erleben. So in Jarosław, einer alt ehrwürdigen Handelsstadt im polnischen Galizien, im Mittelalter berühmt für ihre große Messe und im Rang damals gleichauf mit Frankfurt am Main.
Beide lagen an der berühmten Handelsstraße, der Via Regia. Die verband auf ihrem Weg von Santiago de la Compostella nach Moskau und Kiew Portugal, Spanien, Frankreich und das deutsche Reich mit Polen, Russland und der Ukraine.
Hier in Jarosław kann der aufmerksame Beobachter am Rande des Rynek auf einer Terrasse in der ul. Wąska 1 eine alte Sukka entdecken. Nach so viel Jahren – sie muss über 80 Jahre alt sein – ist sie etwas verändert, aber immer noch als Sukka erkennbar. Mit zwei Synagogen, einer Mikwe, einem Gebäude der Union jüdischer Handwerker – Yad Charuzim – und einem Friedhof von 1699 besitzt die Stadt darüber hinaus noch unübersehbare Zeugnisse früheren jüdischen Lebens.
Das begann 1464 unter König Kasimier dem Großen mit ersten Ansiedlungen. Nach einem Dekret der adligen Stadtherrin Zofia Kostkowa durften Juden nicht mehr als zwei Häuser in der Stadt besitzen, nicht handeln und nur eigene Produkte verkaufen. 1638 bestimmte König Władysław IV., dass sich die hiesigen Juden der Gemeinde von Przemyśl anzuschließen hätten. Trotzdem bauten sie sich bereits 1640 ihre erste Synagoge in Jarosław. 1699 folgte ein eigener Friedhof.
Die berühmten Handelsmessen im August zogen auch zahlreiche jüdische Händler aus dem übrigen Polen und Litauen an. Seit 1630 fanden anschließend regelmäßig die Herbstsitzungen des Vierländerrates – Va´ad – in Jarosław statt. Sie waren Ausdruck der jüdischen Selbstverwaltung im Königreich Polen. Der Vierländerrat ermöglichte es auch dem polnischen König, auf direktem Weg Steuern bei seinen jüdischen Untertanen einzuziehen.
Bei diesen Treffen waren die großen jüdischen Gemeinden des Landes und die führenden Talmudschulen (Jeschiwot) vertreten.
1704 wurde Yeshaya von Krakau als erster Rabbiner nach Jarosław berufen. 1774 wurde die unabhängige jüdische Gemeinde in der Stadt gegründet. Um 1800 entwickelte sich die Gemeinde unter dem Rabbiner Jacob Ornstein zu einem Zentrum der jüdischen Philosophie. In der Stadt ließen sich auch Schüler bekannter Zaddikim wie von Elimelech von Lyschansk und vom Seher von Lublin nieder.
1813 bestand ein Viertel der Stadtbevölkerung aus Juden. In der Gemeinde gab es eine Chewra Kadischa, die sich um Kranke, Sterbende und Begräbnisse kümmerte. 1811 und und 1900 wurden die großen Synagogen in der Stadt errichtet. J. war in der Zeit ein Zentrum für den Vieh- und Getreidehandel.
Unter dem runden Fenster ist noch die Markierung des Aron ha-Kodesch sichtbar. TAL
Im März 1869 fand ein Pogrom statt, bei dem der Friedhof verwüstet und die meisten jüdischen Geschäfte geplündert wurden. Anfang 1900 verfügte die Gemeinde über ein Beth Midrasch, eine Schule, ein Altenheim und einen rituellen Schlachthof. Im Juni 1918 kam es zu einem weiteren Pogrom.
1921 setzte sich die Einwohnerschaft der Stadt zu einem Drittel aus Juden zusammen. Gleichzeitig stellten sie über 70% der Handelsunternehmen. In Jarosław entstanden zahlreiche jüdische Handelsverbände, sonstige Gesellschaften und mehrere Kreditgenossenschaften. Im Verlauf der dreißiger Jahre , besonders nach dem Tod von Josef Piłsudski, nahmen die Feindseligkeiten von Seiten der christlich-polnischen Bevölkerung zu.
1939 besetzte die deutsche Wehrmacht Jarosław und trieb gleichzeitig 10 000 Juden über den San in die sowjetische Besatzungszone. Viele von ihnen fanden dann 1941 beim Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion den Tod.
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